Have any questions?
+44 1234 567 890
Der Weltpankreaskrebstag findet jedes Jahr im November statt und steht international im Zeichen der Farbe Lila. Ziel ist es, über Bauchspeicheldrüsenerkrankungen zu informieren, Forschung zu fördern und Betroffenen eine Stimme zu geben.
Interview mit Univ.-Prof. Dr. med. Marcel Binnebösel, Direktor der Universitätsklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie und Leiter des Pankreaskarzinomzentrums am Klinikum Bielefeld
Herr Prof. Binnebösel, jedes Jahr im November findet der Weltpankreaskrebstag statt. Welche Bedeutung hat dieser Tag für Sie und Ihr Team?
Prof. Binnebösel: Der Weltpankreaskrebstag ist ein sehr wichtiger Aktionstag. Er wurde 2013 von der Selbsthilfeorganisation Arbeitskreis der Pankreatektomierten e.V. ins Leben gerufen, um die Öffentlichkeit für Bauchspeicheldrüsenerkrankungen zu sensibilisieren. Gerade beim Pankreaskarzinom, also dem Bauchspeicheldrüsenkrebs, ist das Bewusstsein in der Bevölkerung nach wie vor zu gering. Wir möchten mit unserer Teilnahme am Aktionstag aufklären, informieren und ermutigen, frühzeitig ärztlichen Rat einzuholen.
Warum ist Aufklärung hier so entscheidend?
Prof. Binnebösel: Weil Bauchspeicheldrüsenkrebs tückisch ist. Die Symptome sind unspezifisch und treten meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium auf. Deshalb ist die Diagnose oft spät. Dabei zählt beim Pankreaskarzinom jeder Tag: Je früher wir die Erkrankung erkennen, desto größer sind die Chancen, sie erfolgreich zu behandeln.
Welche Risikofaktoren begünstigen die Entstehung eines Pankreaskarzinoms?
Prof. Binnebösel: Es gibt mehrere Risikofaktoren, die wir kennen: Rauchen, Übergewicht, übermäßiger Alkoholkonsum und eine chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse erhöhen das Risiko deutlich. Oft nicht bedacht, aber auch eine familiäre Vorbelastung können eine Rolle spielen. Allerdings ist die genaue Ursache oft unklar – deshalb ist Prävention ebenso wichtig wie Aufmerksamkeit für erste Warnsignale.
Welche Rolle spielt die Operation in der Behandlung des Bauchspeicheldrüsenkrebses?
Prof. Binnebösel: Die operative Tumorentfernung ist der entscheidende Schritt in der Behandlung. Sie ist komplex, denn die Bauchspeicheldrüse liegt in direkter Nachbarschaft zu großen Blutgefäßen und wichtigen Organen. Im Klinikum Bielefeld führen wir diese Eingriffe in hoher Anzahl in unserem zertifizierten Pankreaskarzinomzentrum durch, das seit 2020 von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) anerkannt ist. Nur Zentren, die strenge Qualitätsanforderungen erfüllen, dürfen diese Zertifizierung tragen.
Was bedeutet das für die Patientinnen und Patienten?
Prof. Binnebösel: Es bedeutet Sicherheit. In zertifizierten Zentren werden die Patientinnen und Patienten nach klaren Leitlinien interdisziplinär behandelt – Chirurgie, Onkologie, Gastroenterologie und Ernährungsberatung arbeiten eng zusammen. Studien zeigen deutlich, dass die Überlebenschancen in spezialisierten Zentren deutlich höher sind als in Häusern ohne entsprechende Expertise. Eine Operation des Bauchspeicheldrüsenkrebs sollte außerhalb eines zertifizierten Zentrums nicht erfolgen.
Wie laufen solche Operationen konkret ab?
Prof. Binnebösel: Die häufigste Operation ist die Entfernung des Bauchspeicheldrüsenkopfs. Dabei wird das betroffene Gewebe samt Lymphknoten entfernt und der Verdauungstrakt so rekonstruiert, dass die Verdauung weiterhin möglich bleibt. Dieser Eingriff dauert in der Regel vier Stunden und ist technisch sehr anspruchsvoll.
Bei Tumoren im Körper oder Schwanz der Bauchspeicheldrüse operieren wir minimalinvasiv – seit 2023 führen wir diese Eingriffe robotisch assistiert minimal-invasiv mit dem DaVinci-System durch. Diese Methode ist besonders schonend und ermöglicht eine schnellere Erholung nach der Operation.
Warum dürfen solche Operationen nicht in jedem Krankenhaus durchgeführt werden?
Prof. Binnebösel: Der Gemeinsame Bundesausschuss hat eine sogenannte Mindestmengenregelung erlassen. Das bedeutet: Nur Kliniken, die eine bestimmte Anzahl an Bauchspeicheldrüsenoperationen pro Jahr durchführen, dürfen diese anbieten. Hintergrund ist, dass die Komplikationsrate und auch die Sterblichkeit deutlich niedriger sind, wenn ein Team viel Erfahrung hat. Diese Zentralisierung ist also im Sinne der Patientensicherheit – und sie ist längst überfällig. In NRW ist die Zentralisierung bereits weiter fortgeschritten und in die Krankenhausplanung eingeflossen. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) hat beispielsweise eine eigene Leistungsgruppe für das Organsystem Pankreas definiert und damit festgelegt, welche Klinikstandort in NRW überhaupt noch Operationen an der Bauchspeicheldrüse durchführen darf. Auch diese ist aus genannten Gründen im Sinne der Patient*innen richtig. Das Klinikum Bielefeld hat vom MAGS den erforderlichen Feststellungsbescheid erhalten.
Sie kooperieren mit verschiedenen Selbsthilfegruppen, unter anderem auch mit dem Arbeitskreis der Pankreatekomierten. Welche Rolle spielt die Selbsthilfe in der Behandlung?
Prof. Binnebösel: Eine sehr große. Das Klinikum Bielefeld ist seit 2011 als Selbsthilfefreundliches Krankenhaus zertifiziert. Wir arbeiten eng mit dem Arbeitskreis der Pankreatektomierten e.V. zusammen. Die Mitglieder bringen wertvolle Erfahrungen aus Patientensicht ein – insbesondere, wenn es um Themen wie Ernährung, Enzymsubstitution oder das Leben nach einer Operation geht. Diese Begleitung auf Augenhöhe ist für Betroffene und Angehörige von unschätzbarem Wert.
Was möchten Sie den Menschen zum Abschluss mit auf den Weg geben?
Prof. Binnebösel: Achten Sie auf die Warnsignale. Wer über längere Zeit Oberbauchschmerzen, Appetitverlust oder unerklärlichen Gewichtsverlust bemerkt, sollte das ernst nehmen. Früherkennung rettet Leben. Und wenn tatsächlich eine Erkrankung vorliegt: Lassen Sie sich in einem spezialisierten, von der DKG zertifizierten Zentrum behandeln. Dort bündeln wir Erfahrung, Forschung, Innovation und menschliche Zuwendung – für die bestmögliche Versorgung unserer Patientinnen und Patienten. Die Überlebenschancen in diesen Zentren sind nachweislich besser.
Arbeitskreis der Pankreatektomierten e.V.
Das Klinikum Bielefeld – insbesondere die Universitätsklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie die Klinik für Gastroenterologie am Standort Mitte – kooperiert seit vielen Jahren eng mit der Selbsthilfegruppe AdP e.V. – Bauchspeicheldrüsenerkrankte.
Die Regionalgruppe Ostwestfalen-Lippe – Bielefeld bietet zweimal jährlich Treffen am Klinikum Bielefeld – Mitte (Teutoburger Str. 50, 33604 Bielefeld, Seminarraum 2, EG) an.
Da die Treffen in Bielefeld und Herford zu unterschiedlichen Zeiten stattfinden, wird um vorherige Kontaktaufnahme gebeten. Eine Anmeldung ist erwünscht, jedoch nicht erforderlich – interessierte Patientinnen, Patienten und Angehörige sind herzlich willkommen.
Kontakt Regionalgruppe OWL – Bielefeld:
Matthias Erlenburg, Regionalgruppenleiter
Telefon: 05775 9665747
E-Mail: merlenburg@web.de