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Der Krankenhaussozialdienst am Klinikum Bielefeld - Aufgaben, Schnittstellen und neue Herausforderungen
Autorinnen:
Daniela König (Leitung Sozialdienst am Klinikum Bielefeld)
Prof. Dr. Anna Lena Rademaker (Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich Sozialwesen)
Am Klinikum Bielefeld unterstützt das Team des Sozialdienstes Patient*innen und ihre An- und Zugehörigen bei einem reibungslosen Übergang in die Versorgung nach dem Krankenhausaufenthalt; z.B. bei einer Aufnahme in ein Pflegeheim oder Bedarf einer Anschlussrehabilitation.
Welche Auswirkungen die Pandemie auf diese Aufgabe hatte und wie eine Studie bei der Auswertung dieser helfen soll, lesen Sie in diesem Artikel.
Der Sozialdienst am Klinikum Bielefeld: Ein Unterstützungsangebot für Patient*innen und Angehörige
Die Einrichtung des Sozialdienstes im Krankenhaus ist im Landeskrankenhausgesetz NRW sowie im fünften Buch des Sozialgesetzbuches festgeschrieben und ergänzt die Leistungen der ärztlichen Behandlung und pflegerischen Versorgung um ein umfassendes Beratungsangebot.
Der Krankenhaussozialdienst am Klinikum Bielefeld ist Teil des interdisziplinären Entlassmanagements, zum nahtlosen Übergang in den ambulanten Sektor und wird bei Bedarf einer Anschlussversorgung, wie zum Beispiel die Weiterbehandlung in einer Reha-Klinik, konsiliarisch eingeschaltet. Im Bereich der Geriatrie, dem Onkologischen Zentrum und in der Palliativbehandlung ist der Sozialdienst ein fester Bestandteil des Behandlungskonzeptes.
Im Team des Sozialdienstes des Klinikums Bielefeld arbeiten an den drei Standorten Bielefeld - Mitte, Bielefeld - Rosenhöhe und Halle/Westf. Sozialarbeiter*innen, Diplom- und Sozialpädagog*innen und Pflegefachkräfte mit den freigestellten Mitarbeiter*innen der Familialen Pflege zusammen.
Allen Patient*innen des Klinikums steht das Beratungsangebot des Sozialdienstes kostenfrei zur Verfügung. Der individuelle Beratungsbedarf kann sowohl von Patient*innen, deren Angehörigen, durch den ärztlichen Dienst, das Pflegepersonal oder Mitarbeitenden externer Versorgungspartner wie zum Beispiel Pflegeheimen angemeldet werden.
Ein wesentlicher Bestandteil der täglichen Arbeit des Sozialdienstes ist die enge Vernetzung mit anderen Diensten, Behörden und Organisationen im sozialrechtlichen, pflegerischen und rehabilitativen Bereich. Kontinuierliche Fort- und Weiterbildung der Mitarbeitenden gehört ebenso zu den Voraussetzungen einer professionellen Beratung wie der kollegiale Austausch im Arbeitskreis der Krankenhaussozialdienste in der Region.
Das Beratungsangebot des Sozialdienstes
Akute Erkrankungen und Notfälle, aber auch chronische Erkrankungen stellen häufig eine besondere Belastung für die Betroffenen und ihre Zu- und Angehörigen dar: die Erkrankung stellt die gesamte Lebenssituation auf den Kopf. Der Sozialdienst berät Patient*innen während des stationären Aufenthaltes zu Themen und Fragestellungen, die im Zusammenhang mit der Erkrankung auftreten. Häufig stehen Psychosoziale Interventionen, Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung, Erstberatung im Falle einer onkologischen Erkrankung, die Bewältigung von Problemen im sozialen Umfeld oder existentielle Krisen und Suchtberatung im Vordergrund. Gleichzeitig sind die Mitarbeiter*innen des Sozialdienstes Ansprechpartner*innen für Fragen zu einer gesetzlichen Vertretung im Rahmen einer Betreuung oder Vorsorgevollmacht als auch der Versorgung betreuungsbedürftiger Angehöriger oder der Vermittlung praktischer Alltagshilfen (z.B. Essen auf Rädern, Hausnotruf, niedrigschwellige Betreuungsangebote).
Auch können im Zusammenhang mit einer akuten oder chronischen Erkrankung wirtschaftliche Probleme auftreten, in deren Fall der Krankenhaussozialdienst beraten und unterstützen kann, zum Beispiel bei der Beantragung von Lohnersatzleistungen, Leistungen des Sozialhilfeträgers, Leistungen für Menschen mit einer Schwerbehinderung oder Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung.
Wenn es einer Anschlussversorgung nach dem Krankenhausaufenthalt bedarf, unterstützt der Sozialdienst die Patient*innen und ihre An- und Zugehörigen bei der Organisation der nachstationären Versorgung, zum Beispiel durch einen ambulanten Pflegedienst, die Versorgung in der stationären Pflege oder Kurzzeitpflege, Leistungen der Haushaltshilfe oder Familienpflege, bei der Überleitung in ein Hospiz oder in stationäre Einrichtungen zur Überwindung sozialer Notlagen wie einer Suchterkrankung oder Obdachlosigkeit und dient als Schnittstelle.
Stellen die Ärzt*innen im Krankenhaus den Bedarf einer Anschlussrehabilitation fest, beauftragen sie den Sozialdienst mit der Planung, Organisation und Antragstellung der Rehabilitationsmaßnahme gemeinsam mit den Patient*innen. So kann, wenn die entsprechenden Kriterien erfüllt sind, eine Anschlussheilbehandlung, eine neurologische Frührehabilitation, eine Geriatrische Rehabilitation oder auch eine onkologische Rehabilitation aus dem Krankenhaus heraus geplant werden. Auch für ambulante Patient*innen der Strahlenklinik besteht die Möglichkeit, eine onkologische Anschlussheilbehandlung einzuleiten oder dahingehend zu beraten.
Die Beratung durch den Sozialdienst findet nach vorheriger Terminvereinbarung montags bis freitags an den jeweiligen Standorten statt. Die Mitarbeitenden haben auch die Möglichkeit, Patient*innen und/oder ihre Angehörigen direkt im Patientenzimmer zu beraten.
Der Sozialdienst und sein Beratungsangebot ist also umfassend in die vollumfängliche Versorgung der Patient*innen eines Krankenhauses involviert. Fällt dieses Angebot der Unterstützung weg, haben viele Patient*innen und ihre Angehörige kaum bis keine Möglichkeiten, einen problemlosen Übergang in eine, an den Krankenhausaufenthalt anknüpfende, Behandlung zu realisieren – dies kann für den gesundheitlichen Zustand gravierende Folgen haben.
Durch die Corona-Pandemie wurde der Sozialdienst des Klinikums vor diese Situation gestellt. Um die Folgen dieser Einschränkungen für die Arbeit des Sozialdienstes und die Versorgung der Betroffenen zu analysieren, hat die Fachhochschule Bielefeld eine Studie gestartet, an der sich auch der Sozialdienst des Klinikums Bielefeld beteiligt.
Aktuelles Forschungsprojekt: postCovid@OWL - Der Krankenhaussozialdienst im Krisenmodus
Gesundheitliche Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf die eigene Lebenssituation bedürfen oft einer psycho-sozialen und sozialrechtlichen Beratung. Die Corona-Pandemie hat die Bedeutung der Sozialen Arbeit im Gesundheitswesen zur Sicherung der gesundheitlichen und sozialen Versorgung und der Teilhabe von Erkrankten oder von Erkrankung bedrohten und Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen in ihrer Lebenswelt deutlich sichtbar gemacht.
Im Rahmen der von der Fachhochschule (FH) Bielefeld in Kooperation mit dem Klinikum Bielefeld und Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) durchgeführten Forschungsstudie „postCOVID@owl“ werden unter der Leitung von Prof. Dr. Anna Lena Rademaker (Fachbereich Sozialwesen FH Bielefeld) die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Soziale Arbeit im Krankenhaussozialdienst untersucht. Im Sinne des Infektionsschutzes wurde zum Beispiel zu Beginn der Pandemie die Möglichkeit zur Kommunikation in bewährter Form sowohl mit Patient*innen und Angehörigen sowie mit Mitarbeitenden innerhalb des Krankenhauses drastisch eingeschränkt. Abstandsregeln und Maßnahmen zur Vermeidung von Kontakten zogen eine Neu-Bewertung notwendiger persönlicher Beratung und möglicher Infektionsgefahr sowohl für Patient*innen als auch Mitarbeitenden im Sozialdienst nach sich. Dies geschah sowohl in dem Bewusstsein, eine angemessene Organisation der Anschlussversorgung für Patient*innen bei größeren Personalausfällen nicht mehr sicherstellen zu können als auch vor dem Hintergrund des individuellen gesundheitlichen Risikos für die einzelnen Mitarbeitenden. Diese Gefahr war vor der Einführung von Impfmöglichkeiten natürlich besonders groß. Darüber hinaus wurde der interprofessionelle Austausch reduziert, Teambesprechungen wurden ausgesetzt und Fallkonferenzen wurden abgesagt. Die Kommunikationsmöglichkeiten mit und über Patient*innen und deren Angehörigen wurde somit auf ein Mindestmaß reduziert. Besuchsverbote in den Krankenhäusern führten wiederum zu einem gesteigerten Informationsbedarf auf Seiten der Angehörigen, der kaum über den Pflegedienst und ärztlichen Dienst abgedeckt werden konnte und zu einer vermehrten Inanspruchnahme des Sozialdienstes geführt hat. Hier hat sich sehr deutlich gezeigt, dass der Sozialdienst eine wichtige kommunikative Schnittstelle zwischen Patient*innen, Angehörigen, Pflegenden und ärztlichem Dienst ist.
Eine weitere Herausforderung zeigte sich bereits in den ersten Monaten der Pandemie und bis heute anhaltend in einer deutlichen Zunahme der Behandlungsfälle mit psychosozialem Beratungs- und Unterstützungsbedarf in der Nachsorgeorganisation. Diese lassen sich einerseits direkt auf die Auswirkungen der Pandemie zurückführen: Kontaktbeschränkungen und somit Wegfall sozialer Unterstützung durch Angehörige, ehrenamtliche und professionelle Dienstleistungen sowie durch Nachbarschaftstreffs. Andererseits wurden bestehende Missstände durch die Pandemie erst sichtbar, die besonders Menschen in instabilen Lebensverhältnissen betreffen, die zur Bewältigung ihres Alltags und Sicherung der Gesundheit oftmals auf soziale Unterstützungssysteme angewiesen sind. Der Bedarf an Unterstützung durch Angebote Sozialer Arbeit im Kontext der Krankenhausbehandlung ist dadurch einmal mehr deutlich geworden.
Das Ziel des Projektes ist, gemeinsam aus der Praxis die aktuelle pandemische Situation sowie ihre Auswirkungen auf die Zusammenarbeit im interdisziplinären Team zu erforschen.
20 Fachkräfte in Sozialdiensten und Sozialberatungen in OWL haben sich für Expert*innen-Interviews zur Verfügung gestellt, um ihre Expertise und Erfahrungen einzubringen. Zudem dokumentieren sie Situationen ihres Berufsalltags in und nach der Pandemie als Co-Forschende und ermöglichen damit einen Einblick in aktuelle Herausforderungen und Chancen für die Weiterentwicklung der Beratungs- und Versorgungslandschaft in OWL.
Unter Verwendung der Erkenntnisse in der Praxis soll die Entwicklung neuer und innovativer Konzepte sowie Methoden im Rahmen der pandemischen „Krisenbewältigung“, die Hinweise auf eine auch zukünftig bedarfsgerechte Versorgung, Beratung und Behandlung von Patient*innen nach der Pandemie zulassen, erfolgen. Zudem sollen Indikatoren identifiziert werden, die in der Krise einer Stärkung der interprofessionellen Zusammenarbeit im und Versorgungsqualität durch den Sozialdienst beigetragen haben und die insbesondere mit Blick auf die Soziale Arbeit nach der Covid-19 Pandemie auch langfristig zu einer zukunftsträchtigen Versorgung von Patient*innen beitragen können.
Erste Ergebnisse des Forschungsprojektes werden bereits im November auf einem Fachkongress für Soziale Arbeit veröffentlicht.
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt
Weitere Informationen zum Sozialdienst am Klinikum Bielefeld