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Die neuen Reinräume der Krankenhausapotheke – individuelle Maßarbeit unter höchsten Hygienestandards
Autor: Dr. Sascha Pretor, Apotheker
Eine kleine Arzneimittelfabrik im Krankenhaus? Ja, so etwas gibt es! In den neuen Reinräumen der Krankenhausapotheke des Klinikums Bielefeld wurden im Jahr 2021 über 20.000 Zytostatikazubereitungen, also Substanzen, die im Rahmen einer Chemotherapie bei Krebspatient*innen genutzt werden, hergestellt. Und dies geschah patientenindividuell, zeitnah und in höchster Qualität.
Doch was genau ist ein Reinraum? Ein Reinraum unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten von einem „normalen“ Raum oder Labor: Erstens wird er kontinuierlich mit Luft belüftet, die mehrere Filterstufen durchströmen muss, wodurch sie von möglichen krankheitserregenden Keimen befreit wird. Zweitens besitzen die Wände und der Fußboden eine sehr glatte Oberfläche und sind somit leicht und gründlich zu desinfizieren. Hier kann sich kein Keim verstecken! Und das ist auch extrem wichtig, denn in einer Zytostatikazubereitung, die direkt über das Patientenblut in den Körper gelangt, dürfen weder Keime noch Partikel enthalten sein. Aus diesem Grund müssen sich die im Reinraum tätigen Mitarbeiter*innen der Apotheke, die Reinigungskräfte eingeschlossen, in keimfreie Spezialkleidung hüllen, um selbst keine Quelle für derartige Verunreinigungen zu sein. Zu guter Letzt wird die Sicherheit noch weiter erhöht, indem die Zubereitungen unter einer sogenannten Sicherheitswerkbank hergestellt werden. Diese baut einen Vorhang aus keim- und partikelfreier Luft auf, der dafür sorgt, dass zum einen die Zubereitung vor Verunreinigungen geschützt wird, zum anderen allerdings auch die herstellende Person vor den in konzentrierter Form zum Teil durchaus aggressiven Substanzen geschützt ist. All diese Vorkehrungen erhöhen die Patientensicherheit auf ein Maximum!
Übrigens: Man findet Reinräume zwar häufig in der Pharmaindustrie, ursprünglich stammt das Konzept aber aus einem ganz anderen Bereich, nämlich der Elektronik- sowie der Luft- und Raumfahrtindustrie, um zum Beispiel hochreine Bauteile herzustellen. Ohne Reinräume gäbe es somit auch kein Smartphone!
Aber was genau ist denn eine Zytostatikazubereitung? Zytostatika sind chemische oder pflanzliche Substanzen, die in der Lage sind, Körperzellen zu vernichten oder deren Vermehrung zu verhindern oder zu verzögern. Diese Eigenschaft wird in der Behandlung von Krebserkrankungen in Form von Chemotherapien eingesetzt, damit das Tumorgewebe durch die Zytostatika zerstört wird oder sein Wachstum gehemmt wird.
Damit eine Zytostatikazubereitung hergestellt werden kann, benötigt die Apotheke vom behandelnden Ärzteteam die genaue Dosierung, welche sich in den meisten Fällen nach dem Körpergewicht oder der Körperoberfläche der zu behandelnden Person richtet. Aus diesem Grund gleicht keine Chemotherapie der anderen. Die Körperoberfläche eines Menschen berechnet sich übrigens aus einer komplexen Formel, in die unter anderem das Körpergewicht und die Körpergröße einfließen. Sie liegt zwischen 1,5 bei sehr kleinen und leichten und über 2 Quadratmetern bei großen und kräftigen Menschen. Hieraus wird klar: Die Herstellung von Zytostatikazubereitungen im Klinikum Bielefeld ist kein anonymer Fließbandprozess! Denn vor jeder Herstellung prüft ein/e Apotheker*in noch einmal, ob der Wirkstoff in der angeforderten Dosis zur behandelten Person und ihrer Erkrankung passt. Erst wenn dies alles plausibel ist, erfolgt die Freigabe zur Herstellung im Reinraum. Und da sich die Herstellungsräume im ersten Untergeschoss des Klinikgebäudes befinden, müssen die fertigen Zubereitungen nicht aufwändig kilometerweit transportiert werden, sodass unnötige Wartezeiten für die Patient*innen entfallen.